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Menahem Pressler — Nachruf auf einen Jahrhundert-Künstler

Menahem Pressler war im wahrsten Sinne des Wortes ein „Jahrhundert-Künstler“. Am 6. Mai 2023 starb er in seinem 100sten Lebensjahr. Doch nicht nur durch seine Lebensspanne, sondern gerade auch durch sein Wirken wird er dieser Bezeichnung nur allzu gerecht. Vor allem als Kammermusiker hat er die Musikwelt geprägt.

Menahem Presslers Verbindung zu Steinway

Er begann seine über siebzig Jahre währende Karriere jedoch als Solist. An ihr hatte Steinway stets Anteil. Pressler hatte sich 1946 sehr kurzfristig für den Debussy-Wettbewerb in San Francisco beworben und reiste aus Palästina an. Als er in seiner ersten amerikanischen Station New York ankam, kannte er Teile des geforderten Repertoires noch gar nicht. Nichts brauchte er da mehr als Übemöglichkeiten. Es war Henry Z. Steinway, der sie ihm in der Steinway Hall verschaffte. Dessen Haltung stand schon damals für den Steinway-Spirit, die Musik und Talente mit tatkräftiger Unterstützung zu fördern, unabhängig von Berühmtheit und Popularität. Nicht Profitdenken oder PR-Kalkül waren die Grundlage, sondern gegenseitige Anerkennung, Sympathie und Respekt. Das ist bis heute so.

Man hatte ihn aus seinem Büro heruntergerufen, um den jungen, unbekannten Studenten anzuhören. Zutiefst von dessen Spiel beeindruckt, sagte er ihm zu, so lange dort üben zu können, wie er wolle. Pressler hat ihm das nie vergessen, unabhängig davon, dass er den Debussy-Wettbewerb gewann. Eine lebenslange Freundschaft hatte damals begonnen. Auch als er längst ein Welt-Künstler geworden war, erwähnte Pressler es immer wieder, etwa in einem kurzen Videoclip kurz vor seinem neunzigsten Geburtstag oder in einer handschriftlichen Widmung, die Teil der „Wall of Fame“ bei Steinway Hamburg ist.

Menahem Pressler
 

Steinway Artist mit höchsten Ansprüchen

Gleichwohl war er ein durchaus kritischer Steinway Artist. Seine Erwartungen an die Instrumente waren hoch, und er sagte es unumwunden, wenn der Zustand eines Flügels ihn nicht zufriedenstellte oder er ein D-Modell auf der Bühne wünschte, sei der Saal auch noch so klein.  Er konnte sich klanglich jeder Raumsituation anpassen, ordnete sich mühelos ein wie es die Musik verlangte.  

Menahem Pressler vereinte viele Gegensätze in sich: Er war klein von Gestalt, aber als Persönlichkeit ein Riese. Er sprach leise, doch seine Aussagen waren kraftvoll. Er war gütig und zart, aber auch, insbesondere in der Musik, unerbittlich und streng. Er hatte höchste Ansprüche an sich selbst und auch gegenüber anderen war sein Postulat an die Qualität absolut. Dabei machte er keine Unterschiede, ob er mit Studierenden oder mit hochkarätigen Kollegen und Kolleginnen sprach.  

Als Juryvorsitzender beim ARD Musikwettbewerb 2013 nahm er lautstarke Unmutsäußerungen gelassen in Kauf, als er nach einem vielseits als hochklassig empfundenen Finale verkündete, dass ein erster Preis nicht vergeben würde. Er machte keine nachsichtigen Geschenke. Diese Haltung war respektiert, wie auch gefürchtet.

Dieses Gefühl kannte er durchaus selbst aus eigener Erfahrung: Das Beaux Arts Trio hatte für das allerletzte Konzert am 23. August 2009 im Gewandhaus zu Leipzig auch die ihm gewidmete „Hommage-message à Christian Wolff“ auf dem Programm. Ein stilles Werk, dessen Interpretation höchste Ansprüche an die Ausführenden wie auch die Hörer stellt. In der Anmoderation erzählte Pressler dem Publikum, dass der von ihm hoch verehrte Komponist und Freund György Kurtág die Musiker „in zwei dreieinhalbstündigen Proben gequält“ hätte und vor dessen insistierender Genauigkeit sogar er Angst habe …

 

Menahem Presslers Lebenselixier war die Musik

Ein Tag ohne Musik war für Pressler undenkbar. So war es nur folgerichtig, dass er nach der Auflösung des Beaux Arts Trios weiter konzertierte und mit „Friends“ in zahlreichen neuen Formationen Kammermusik machte. Er war äußert diszipliniert und erschien zu Proben immer lange vor der Zeit, um sich einzuspielen.

Wenn er dann allein am Klavier saß, konnte es schon passieren, dass er plötzlich innehielt, den Kopf auf die Brust sinken ließ und unbeweglich eine Zeit lang so verharrte. Einen auf die 90 zugehenden Mann so zu sehen, konnte einen gehörig erschrecken — musste schnell ein Arzt gerufen werden? Musste es nicht, denn solche Regenerationspausen gehörten zur Gewohnheit Presslers. Nach drei Minuten wachte er auf und spielte, als wäre nichts gewesen. Unpünktlichkeit konnte er freilich nicht leiden. Waren seine Mitmusiker nicht rechtzeitig da, kam auf den Glockenschlag seine Frage: „Where are they?!“

Die Musik war Presslers Lebenselixier. Er wandte sich viel neuem Repertoire zu, welches über die Beaux Arts-Jahre liegen geblieben war: Werke für Klavier solo. Mit 86 Jahren begann er einen ganz neuen Karriereabschnitt. Es schien, als könne nichts ihn aufhalten, weder die mit dem Alter zunehmend auftretenden Zipperlein, der diätbedingte Verzicht auf Lieblingsspeisen wie Ente mit Rotkohl und Klößen oder Dresdner Stollen, noch ein lebensbedrohliches Aneurysma, mit dem er — noch unwissend —  das Silvesterkonzert 2014 der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle spielte. Er fühlte sich damals nicht wohl, aber absagen? Undenkbar! Die Diagnose kam später daheim in Amerika, eine spektakuläre Operation rettete sein Leben.

Typisch für Pressler: In der Rehabilitation nahm die körperliche Genesung schrittweise zu, die Laune jedoch ab. Es fehlte ein Klavier! Ein Hilferuf ging an Steinway und die Reaktion in New York erfolgte prompt: Ein Instrument wurde geliefert und er konnte wieder üben. Konzertpläne gab es schon…

Menahem Presslers Abschied als Konzertsolist in der Elbphilharmonie

Als Solist hatte Pressler seine Laufbahn einst begonnen und als solcher beschloss er sie auch. Am 14. August 2018 spielte er sein letztes Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie. Ein Kreis schloss sich: Die abschließende Zugabe stammte aus der Feder eben jenes Komponisten, unter dessen Namen Presslers Karriere einst in San Franzisco begonnen hatte: „Clair de Lune“ von Claude Debussy“. Er ließ das Werk großer Ruhe ausklingen. Der letzte Ton im Diskant erklang in einem fast unhörbaren Pianissimo, doch stand er in diesem Saal mit seiner besonderen Akustik wie eine Säule. Ein Moment musikalischer Essenz. Unvergesslich. Wie Menahem Pressler selbst: Unvergesslich.

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